Bedürfnisse bezeichnen das Erleben eines Mangelzustandes, der gleichzeitig behoben werden soll. Der Mangel bezieht sich dabei auf Dinge, die wir zum Überleben oder für unser persönliches Wachstum benötigen. Der Versuch, den Mangelzustand zu beheben schlägt sich in verschiedenen Verhaltensweisen und Handlungen nieder. Sie motivieren uns also zu bestimmtem Verhalten. Empfinden wir zum Beispiel Hunger, gehen wir in der Regel zum Kühlschrank oder in den nächsten Supermarkt. Hunger spüren wir an einem bestimmten Punkt sehr deutlich. Spätestens wenn unser Magen lauthals knurrt, wird uns bewusst, dass wir Hunger haben. Jedoch sind Bedürfnisse nicht zwangsläufig in unserer bewussten Wahrnehmung präsent. Einige Bedürfnisse arbeiten oftmals hinter der Fassade und mitunter ist es ein Teil meiner psychologischen Arbeit, bestimmte Bedürfnisse ins Blickfeld zu rücken. Insbesondere dann, wenn wir selbstfürsorglich mit uns umgehen möchten, um unser psychisches Wohlergehen aufrechtzuerhalten oder zu stabilisieren, lohnt sich ein Blick auf die eigenen Bedürfnisse.
Sie sind der absolute Grundbaustein unseres Daseins, der unserer Biologie geschuldet ist. Zu ihnen zählen zum Beispiel Hunger, Durst und das Schlafbedürfnis. Ist diese Basis nicht gegeben, ist unsere Existenz deutlich bedroht.
Wir bevorzugen es in der Regel, wenn uns die Welt in gewisser Weise verstehbar und damit berechenbar erscheint3. Auch wenn jede*r Einzelne von uns sich im Grad seines Sicherheitsverlangens oder seiner Ordnungsliebe unterscheiden mag, ist Sicherheit etwas, das unser Leben erleichtert. Wenn keine Sicherheit da ist, sind wir permanent in einem Alarmzustand. Wir stehen dann unter Stress. Neue, unbekannte und damit unsichere Situationen zum Beispiel erfordern von uns eine gewisse Anpassungsleistung. Das ist schlichtweg anstrengender, als auf Gewohntes zurückzugreifen. Sicherheitsbedürfnisse zeigen sich zum Beispiel in Sparanlagen oder dem Abschluss von Versicherungen.
Wir sind soziale Wesen. Bereits in der Steinzeit sicherte die soziale Gruppe das Überleben unserer Vorfahren ab. Unser Platz in unserem sozialen Netzwerk ist wichtig für unser Wohlbefinden4. Nicht zuletzt, weil unsere Identität mit der Übernahme von Rollen in verschiedenen sozialen Situationen mitbestimmt wird. Zudem erzeugt der Kontakt zu geschätzten Menschen das positive Gefühl der Liebe.
Diese Grundbedürfnisse beziehen sich auf eine grundlegende positive Selbstbewertung durch uns selbst oder andere. Sie bestehen demnach einerseits aus einer Komponente, die eher in uns selbst liegt: Selbstachtung und Selbstbewusstsein, eigenständig in der Welt zu stehen und darin erfolgreich aktiv zu sein, eine gewisse innere Stärke zu haben. Andererseits werden diese Bedürfnisse aber auch aus einer weiteren Quelle gespeist, die wir kaum beeinflussen können: das Ansehen, das uns andere entgegenbringen.
„Du kannst alles werden“ ist ein Satz, der in unserer Gesellschaft sehr oft so oder sinngemäß zum Besten gegeben wird. Wir haben die Kapazitäten, uns mit unseren Potentialen, unserer Kreativität und unserer Individualität auseinanderzusetzen. Es geht bei der Selbstverwirklichung nach Maslow darum, seiner Bestimmung zu folgen. Das zu werden, was man aus sich selbst heraus werden kann.
In Maslow‘s Theorie bauen die Bedürfnisse aufeinander auf. Sie bilden eine Art Hierarchie. Ist ein grundlegendes Bedürfnis ausreichend gesättigt, tritt das in der Hierarchie nächsthöhere Bedürfnis in den Vordergrund. Unser Handeln, unsere Aufmerksamkeit, letztlich die meisten unserer Kapazitäten werden dann auf das gerade aktuelle Bedürfnis ausgerichtet, um es zu befriedigen.
Es gibt viele Möglichkeiten, Bedürfnisse zu beschreiben bzw. zusammenzufassen. Eine davon geht auf den Psychologen Abraham H. Maslow zurück. Er unterscheidet insgesamt fünf menschliche Grundbedürfnisse2:
Physiologische Bedürfnisse
Sicherheitsbedürfnisse
Soziale Bedürfnisse
Individualbedürfnisse
Selbstverwirklichung
Zusammenspiel der Bedürfnisse
Literaturverzeichnis
1 Metz-Göckel, H. (2020). Bedürfnis. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie. Abgerufen am 11.05.2020
2 Maslow, A. H. (1943). A theory of human motivation. Psychological Review 50 (4), 370–396. doi:10.1037/h0054346
3 Antonovsky, A. (1997). Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tubingen: dgvt-Verlag.
4 Su, R., Tay, L. & Diener, E. (2014). The development and validation of the Comprehensive Inventory of Thriving (CIT) and the Brief Inventory of Thriving (BIT). Applied psychology. Health and well-being 6 (3), 251–279. doi:10.1111/aphw.12027