Wenn wir uns allein in den digitalen Medien umsehen, entsteht oft ein Gefühl von „Schneller! Höher! Weiter!“. Perfekte Instagram-Verläufe, durchgestylte sowie durchtrainierte Menschen, die jede einzelne Sekunde ihres Lebens auszukosten scheinen und zusätzlich Fernsehformate, die suggerieren, dass nur die beste Leistung eine gute Leistung ist.


Die Messlatte wird sehr hoch gehangen. Man soll möglichst alles aus sich herausholen und dabei nur so vor Energie und Freude strotzen! Dies zeichnet das gesellschaftlich anerkannte Bild von Perfektionist*innen, die gefühlt an jeder Stelle das Optimum ausschöpfen.

Perfektion bedeutet „vollkommene Meisterschaft“1. Ist es nicht eine verführerische Vorstellung, die Anforderungen des Lebens in Vollkommenheit zu meistern? Menschen, die perfektionistisch veranlagt sind, sind oftmals tatsächlich ziemlich aktiv. Wie emsige Bienchen arbeiten sie an der Verfolgung ihrer hochgesteckten Ziele. Das ist produktiv. Keine Frage! Zudem gehen sie oftmals recht organisiert und strukturiert an die Sache, was an vielen Stellen ebenfalls recht förderlich ist, um Ziele zu erreichen. Allerdings kann Perfektionismus auch zu einer Belastung werden.

Dies geschieht, wenn jemand bei sich selbst (oder auch anderen gegenüber) so hohe Maßstäbe ansetzt, dass ihre Erreichbarkeit unrealistisch ist.


Fehler bedeuten für ungesunde Perfektionist*innen ein Scheitern. Es wird lediglich zwischen Erfolg und Misserfolg unterschieden. Zum Beispiel könnte sich jemand vornehmen, sein Leben lang Mitarbeiter*in des Monats zu werden. Solch ein Vorhaben kann man natürlich als Wunsch betrachten, der zur Motivation beiträgt. Allerdings betrachten ungesunde Perfektionist*innen ihre Zielvorgaben nicht als Wunsch, sondern als absolute Forderung, die sich oftmals in Mussturbationen äußern: „Ich muss Mitarbeiter*in des Monats werden, egal, was passiert.“. Die Maßstäbe sind also nicht nur ungewöhnlich hoch, sondern obendrein unflexibel. Hinzu kommt, dass ungesunde Perfektionist*innen ihren Selbstwert in besonderem Maße von ihren Erfolgen und/oder der Anerkennung anderer abhängig machen. Wird nun ein Fehler gemacht und man weicht vom selbst gesteckten Optimum ab, so wird die Leistung grundprinzipiell als nichtig eingestuft. Ungesunde Perfektionist*innen stecken dabei in einem Alles-Oder-Nichts-Denken. Ist jemand sechs Monate in Folge Mitarbeiter*in des Monats geworden, wird es im siebten Monat jedoch nicht mehr, begreift die Person sich als Versager*in. Sich einem Ziel dermaßen zu verschreiben, führt oft dazu, dass die Betroffenen permanent unter Anspannung stehen, unter Schlafproblemen leiden und sonstige Lebensbereiche, die nicht mit dem angestrebten Ziel in Verbindung stehen, verkümmern lassen.


Dies kann die Beziehungen zu Menschen aus dem Umfeld belasten. Es besteht darüber hinaus ein Zusammenhang zwischen ungesundem Perfektionismus und Ängsten, Depressionen, Ess- sowie Zwangsstörungen2.

Perfektionismus ist keine Erkrankung. Er ist vielmehr ein Persönlichkeitszug, der im ungünstigen Fall zu Einschränkungen der Lebensqualität führen kann.

Wenn Sie merken, dass Sie sich höhere Ziele stecken als Ihr Umfeld und es sie viel Kraft kostet, wenn Sie die Erledigung von Aufgaben zu lang aufschieben, weil Sie sie nicht perfekt genug erledigen oder wenn Sie sich so stark in einem Bereich Ihres Lebens engagieren, dass Sie merken, wie Sie immer wieder über Ihre Grenzen hinaus gehen, obwohl Ihnen das nicht gut tut, nehmen Sie gern Kontakt mit mir über eines der Beratungsformulare auf.

Literaturverzeichnis

1 Dudenredaktion (o. J.): „Perfektionismus“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/node/109737/revision/109773 (Abrufdatum: 09.04.2020)
2 Spitzer, N. (2016). Perfektionismus und seine vielfältigen psychischen Folgen. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.