Einige Eltern kennen die Situation vielleicht: Sie laufen mit dem Sprössling durch den Supermarkt und es dauert nicht lang, ehe das Kind etwas entdeckt, was es gern haben möchte. Sie geben der Bitte nicht nach. Ihr Nachwuchs beginnt daraufhin prompt, lauthals zu protestieren. Sie sind gestresst und möchten dem ein Ende setzen, also geben Sie über kurz oder lang nach. Puh! Jetzt haben Sie wieder Ruhe! Das mag Ihnen kurzfristig von Vorteil sein, doch gleichzeitig hat Ihr Kind etwas gelernt: Ich bekomme etwas, wenn ich mich durch Quengeln und Plärren widersetze. Langfristig erhöht sich dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Kind beim nächsten Supermarktbesuch ein ähnliches Verhalten zeigt.

Diesen Lernvorgang nennt man operantes oder auch instrumentelles Konditionieren. Er wurde von Burrhus Frederic Skinner und Edward Lee Thorndike beschrieben. Es sei darauf hingewiesen, dass es möglich ist, beide Konzepte fachlich noch präziser zu unterscheiden. Eine gemeinsame Darstellung soll an dieser Stelle jedoch genügen, da die Überschneidungen der beiden überwiegen.

Operantes Konditionieren bezieht sich auf die Konsequenzen, die ein Verhalten nach sich zieht. Beim klassischen Konditionieren hingegen, stehen Reize, also das, was einem Verhalten voraus geht, im Vordergrund.

Konsequenzen lassen sich in Belohnungen und Bestrafungen unterteilen.
In unserem Beispiel erhält das Kind eine Belohnung. Nämlich das Produkt aus dem Supermarkt, das es gern haben wollte. Man nennt diesen Vorgang positive Verstärkung. Belohnungen im weiteren Sinne können jedoch ebenso der Wegfall eines unangenehmen Zustandes sein. Dies spielt z.B. bei der Aufrechterhaltung von Angststörungen wie der generalisierten Angststörung eine Rolle. Wenn man Angst verspürt, kann es dazu kommen, dass man die angstauslösende Situation meidet. Das führt zunächst zu einem Abbau der Angst, eine unangenehme Empfindung fällt folglich weg. In Zukunft wird nun die angstauslösende Situation mit höherer Wahrscheinlichkeit vermieden, weil es kurzfristig angenehmer, also eine Belohnung ist, aus der angstbesetzten Situation zu fliehen. Man spricht hier von negativer Verstärkung. Betrachten wir unser Beispiel, passiert genau das, wenn Sie Ihrem Kind nachgeben. Sein Protest hört auf, damit sinkt Ihr Stresslevel. Sie werden also belohnt, weil Sie ihm das geben, was es möchte.
Wie wir sehen, erhöhen Belohnungen die Auftrittswahrscheinlichkeit eines Verhaltens.

Bestrafungen hingegen senken die Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmter Verhaltensweisen. Bestrafung lässt sich zum einen als das Herbeiführen eines unangenehmen Zustandes beschreiben. Ein klassisches Beispiel wäre eine Ohrfeige. Nun lässt sich hieraus ableiten, dass diese Art des Verhaltensabbaus moralisch fraglich ist. Eine andere Form der Bestrafung, auch Löschung genannt, besteht darin, eine bereits erhaltende Belohnung, ein Privileg zu entziehen. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie haben Ihrem Kind bereits eine Süßigkeit (= Belohnung) im Supermarkt zugesagt und in den Einkaufskorb gelegt. Nun wird es aber ungeduldig und beginnt deshalb herumzumosern. Trotz Ihrer Argumente, dass es nicht mehr lange dauern wird, beruhigt es sich nicht. Entsprechend nehmen Sie ihm die Süßigkeit wieder weg und bestrafen es damit.

Was folgt nun für unsere Supermarktsituation? Lassen Sie Ihr Kind quengeln! Durch den Wegfall der (erhofften) Belohnung wird es lernen, dass das aufmüpfige Verhalten nicht von Erfolg gekrönt ist. Das kann nervenaufreibend sein, wird sich aber langfristig lohnen. Im Gegenzug gönnen Sie ihm eine Süßigkeit als Belohnung, wenn es Sie entspannt durch den Einkaufsprozess begleitet.

Literaturgrundlage

Leibing, E. (Hrsg.). (2007). Verhaltenstherapie (Lehrbuch der Psychotherapie für die Ausbildung zur/zum Psychologischen PsychotherapeutIn und für die ärztliche Weiterbildung, Bd. 3, 4. Aufl.). München: CIP-Medien.
Siegl, J. & Reinecker, H. (2007). Verhaltenstherapeutische Interventionen. In E. Leibing (Hrsg.), Verhaltenstherapie (Lehrbuch der Psychotherapie für die Ausbildung zur/zum Psychologischen PsychotherapeutIn und für die ärztliche Weiterbildung, Bd. 3, 4. Aufl., S. 123–156). München: CIP-Medien.
Smith, E. E. & Grabowski, J. (Hrsg.). (2007). Atkinsons und Hilgards Einführung in die Psychologie (14. Aufl.). Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.