Veränderungen im eigenen Verhalten, Denken und Fühlen gehen auf Lernerfahrungen zurück. Stark herunter gebrochen kann man behaupten, unser Selbst ist zu großen Teilen – wenn auch nicht ausschließlich – ein Produkt unserer Lernprozesse. Insbesondere die (kognitive) Verhaltenstherapie geht davon aus, dass problematisches Verhalten gelernt wurde und damit auch wieder ver- oder umlernbar ist1 . Diese Perspektive bildet ebenso einen Basisbaustein meiner beraterischen Arbeit.
Es lassen sich unterschiedliche Arten des Lernens beschreiben, wie das Lernen am Modell als auch operantes und klassisches Konditionieren. Letzteres möchte ich nun genauer erläutern.

Die Vorgänge beim klassischen Konditionieren wurden erstmals durch Iwan P. Pawlow beschrieben, der ein Experiment an einem Hund durchführte 2. Wenn Sie an ein sehr schmackhaftes Essen denken, kann es passieren, dass Sie merken, wie Ihnen bereits das Wasser im Munde zusammen läuft. Ähnliche Anwandlungen zeigte der Hund im Experiment. Ihm wurde Futter präsentiert, woraufhin das Tier mit Speichelfluss reagierte. Man bezeichnete das Futter als unkonditionierten Reiz (UCS) und den Speichelfluss des Hundes als unkonditionierte Reaktion (UCR). Nun war es jedoch damit nicht getan. Pawlow ließ gemeinsam mit dem Futter das Klingeln einer Glocke ertönen. Dieser Reiz hatte für sich genommen keinen Einfluss auf das Verhalten des Hundes. Er war neutral. Doch mit der Zeit entwickelte der Hund bereits eine vermehrte Speichelproduktion, wenn er nur den Ton der Glocke vernahm. Aus dem neutralen Reiz (NS) wurde ein konditionierter (CS), der die konditionierte Reaktion (CR) des Speichelflusses hervorrief. Der Hund hatte gelernt, dass der Glockenton mit der Futtergabe zusammenhängt.

Vielleicht denken Sie sich: „Das ist ja alles gut und schön, aber was hat das mit mir und meinem Verhalten zu tun? Mein Speichelfluss tangiert mich im Alltag recht wenig.“. Dieses Prinzip lässt sich auf weitere Situationen übertragen. Ein anderes Beispiel: Niemand mag es, für seine Arbeit auf nicht konstruktive Weise kritisiert zu werden. Die unverhältnismäßige Kritik können wir als unkonditionierten Reiz (UCS), die damit einhergehende Furcht als unkonditionierte Reaktion (UCR) betrachten. Nörgelt Ihr Chef nun immer wieder an Ihnen herum, wird die Person Ihres Chefs irgendwann zum konditionierten Reiz (CS), der die konditionierte Reaktion (CR), nämlich Angst Ihrerseits, mit sich bringt. Im ungünstigsten Fall kann es passieren, dass Sie diese Erfahrung auf die Gesamtheit aller Chefs übertragen und somit immer Furcht verspüren, wenn Sie auf eine Person, die eine Führungsfunktion inne hat, treffen. Ganz unabhängig davon, ob Sie wirklich kritisiert werden oder nicht.
Auch wenn Sie sich zum Beispiel angewöhnt haben, vor dem Schlafen im Bett fernzusehen, kann es passieren, dass Sie dadurch lernen, dass das Bett ein Ort ist, der mit einer gewissen Anspannung verbunden ist. Fernsehen hat auf uns nämlich eher einen aufregenden Effekt als einen entspannenden. In dem Fall wäre Fernsehen der unkonditionierte Reiz (UCS), die Anspannung bzw. ein gewisser Grad an Aufregung die unkonditionierte Reaktion (UCR) und das Bett zunächst ein neutraler Reiz (NS). Betrachten Sie zur Veranschaulichung die unten stehende Abbildung. Durch die Kopplung des Fernsehers mit dem Bett wird das Bett zum konditionierten Reiz (CS), die Anspannung zur konditionierten Reaktion (CR). Es kann also passieren, dass das Fernsehen im Bett zu Schlafproblemen beiträgt, da sie gelernt haben, mit Anspannung zu reagieren, wenn Sie in der Nähe Ihres Bettes sind.

Literaturverzeichnis

1 Reinecker, H. (2015). Verhaltensanalyse. Ein Praxisleitfaden. Göttingen: Hogrefe.
2 z.B. Koch, I. & Stahl, C. (2016). Lernen. Assoziationsbildung, Konditionierung und implizites Lernen. In J. Müsseler & M. Rieger (Hrsg.), Allgemeine Psychologie (3. Aufl., S. 319–356). Berlin: Springer.

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