Die folgende Beratung ist ein Beispiel für meine Beratungsarbeit. Sie ist Teil meiner ehrenamtlichen Tätigkeit auf Psychomeda.
Sam (w, 33) aus Gießen: Hallo, ich habe sehr viel Mist gebaut und Menschen verletzt und belogen. Ich habe mich gefragt, warum ich das seit Jahren tue. Ich bin immer irgendwie nicht zufrieden mit dem was ich habe, suche was besserem, nach was anderem. Fange ständig Affären an und belüge diese ebenfalls.
Beneide andere unwahrscheinlich und ihr offensichtliches Glück. Ich höre immer man muss sein Ziel kennen, sich selbst lieben und glücklich zu sein. Ich habe einen Mann der mich liebt so oft betrogen dabei will ich einfach nur glücklich und harmonisch leben. Wie geht man so etwas an, wie wird man glücklich und zufrieden mit sich?
Ich habe eine kleine Tochter, ich will so nicht weiterleben.
Liebe Sam,
ich danke Ihnen vielmals für Ihr Vertrauen und die offenen Worte. Es bedarf viel, sich Lügen und Betrug selbst einzugestehen. Das schafft nicht jeder Mensch!
Sie hinterfragen sich. Sie merken dabei, dass Ihr derzeitiges Verhalten Ihrem Umfeld und damit auch Ihnen selbst schadet. Doch dieses Verhalten erfüllt eine Funktion, auch wenn Sie diese zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht greifen können. Wenn ich Ihre Nachricht lese, scheint es mir, als seien Sie im Moment nicht glücklich. Dies steht jedoch im Kontrast zu gewissen ungeschriebenen Gesetzten, die Sie im Hinterkopf haben. Sie haben das Gefühl, Sie dürften nicht auf diese Art empfinden, da Ihr Mann Sie liebt. Das löst in Ihnen einen Konflikt aus. Darüber hinaus ist da Ihre Tochter für die Sie ein Vorbild sein, Ihr vermutlich Liebe, Glück und Harmonie mit auf den Lebensweg geben möchten. Und so eine kleine Familie…da muss man doch glücklich sein! Man muss einfach!
Muss man das wirklich? Müssen SIE das wirklich? Glück ist etwas, dass sich nicht erzwingen lässt. Natürlich ist es günstig, glücklich zu sein, sich selbst zu lieben und Ziele zu verfolgen. Aber es gibt Phasen im Leben, wo das mal mehr und mal weniger auf uns zutrifft. Darüber hinaus sind all diese Punkte höchst individuell. Jeder hat andere Ziele, wünscht sich anderes vom Leben. Jeder liebt andere Dinge an sich selbst und hadert mit verschiedenen Schwachpunkten. Und für jeden hat der Begriff Glück eine ganz eigene Bedeutung. Vielleicht kollidiert Ihre eigentliche innere Vorstellung vom Glücklich-Sein mit Ansprüchen, die möglicherweise eher von außen kommen, als von Ihnen selbst. Obwohl Sie versuchen, sich an das ungeschriebene Gesetzt von „man muss glücklich sein“ zu halten, ist da dieser stetige Trieb, der Ihnen zeigt, dass aktuell etwas nicht zu stimmen scheint. So als wären Sie ganz getrieben, das Glück zu finden, dass Sie bei anderen sehen. Im Moment suchen Sie es in anderen Betten.
Ich möchte ehrlich sein, Ihr Anliegen wird sich nicht in dieser einen Nachricht klären lassen. Ich kann Ihnen jedoch den Ausblick geben, dass es durchaus möglich ist, sich – vielleicht mit etwas Unterstützung durch eine psychologische Beratung oder Therapie – seiner Ziele bewusst zu werden, sich selbst mittelfristig unter einem anderen, liebevolleren Blickwinkel zu sehen sowie darüber vermittelt langfristig glücklicher zu werden.
Um einen Einstieg zu finden, lade ich Sie dazu ein, sich einmal Zettel und Stift zu schnappen und sich ein paar ruhige, ungestörte Minuten einzuräumen. Fragen Sie nun sich selbst, was Glück für Sie ganz individuell bedeutet. Was bräuchten Sie um glücklich zu sein?
Die Antworten notieren Sie auf dem Zettel. Das Niederschreiben hat noch einmal eine ganz andere Qualität, als die Gedanken im Kopf herumzuwälzen. Während Sie sich die Frage stellen, versuchen Sie, wirklich in Ihr Innerstes hinein zu spüren, auf Ihr Bauchgefühl zu hören. Sätze, die „man muss“ oder „man sollte“ beinhalten, gehören nicht dazu. Sie stehen für Anforderungen von außen, nicht für Ihre Wünsche. Sie könnten die Sätze z.B. mit „Ich wünsche mir…“ oder „Um glücklich zu sein, benötige ich…“ beginnen. Versuchen Sie dabei offen und neugierig zu sein. Lassen Sie die Gedanken nach Möglichkeit fließen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Übung und stehe Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung, wenn Sie das Bedürfnis nach weiterer Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit dem Thema verspüren.
Über eine positive Bewertung würde ich mich freuen.
Alles erdenklich Gute und freundliche Grüße,
Anna-Marie Vitzthum